Meine Bilder (2): Gerhard Richter – Rheinhausen

In dieser Abendstimmung hab ich das Werk nie gesehen. Rheinhausen war für mich ein Tagesjob. Die Manuskripte der Redaktion, in der ich meinen Semesterferien arbeitete, mussten früh fertig sein. Irgendwann am Nachmittag kam der Bote, ein freundlicher älterer Herr, und transportierte das Kuvert per Bus mit den Artikeln nach Duisburg, von wo es mit dem Auto weiter in die Druckerei nach Essen ging. Unvorstellbar in den heutigen Zeiten des Echtzeit-Journalismus. Auch ich stieg nach Redaktionsschluss in einen Linienbus. Er brachte mich in die entgegengesetzte Richtung. Nach Moers, wo ich damals wohnte.

Aber das Grafenschloss der einstigen Kreisstadt hatte nicht das Glück, von einem der berühmtesten Künstler der Welt gemalt zu werden. So steht das heute zu Duisburg gehörende Rheinhausen für die Erinnerung daran, wie ich mir große Teile meines Studiums finanziert habe. Nach einem Bericht des Berliner „Tagesspiel“ hat eine Antiquitäten-Händlerin das Bild für wenig Geld von einem Mann gekauft, den sie schnell wieder vergessen hat. Lang staubte das 0,70 x 1,10 m große Ölgemälde erst über ihrem Esstisch ein, dann in der Diele. Irgendwann entdeckte sie auf der Rückseite eine handgeschriebene Adresse: „Gerd Richter, Hüttenstraße 71, Düsseldorf.“ Sie wurde neugierig, recherchierte und bekam heraus: So kennzeichnete der heute teuerste Maler der Welt Anfang der 60er Jahre seine Bilder.

Die meisten Exemplare seines Jugendwerks hat er 1962 in einer heute legendären Aktion im Hof der Düsseldorfer Kunstakademie verbrannt. Reiner Zufall, dass die Auftragsproduktion für einen Bekannten „überlebte“. Auf Anfrage bestätigte Gerhard Richter seine Urheberschaft. Aber er war nicht bereit, „Rheinhausen“ ins offizielle Verzeichnis seiner Werke aufzunehmen. Die Besitzerin wandte sich dann an das Berliner Auktionshaus Bassenge. Das erhoffte preistreibende Bieterduell zweier Richter-Verrückter kam zwar nicht zustanden. Aber am Ende erzielte das „verstoßene“ Bild immerhin 340 000 Euro. (siehe dazu: Der Tagespiegel 1.12. 2012)

Ob ich das Werk ebenfalls verkauft oder lieber in eine Versicherung für einen „echten Richter“ in meiner Wohnung investiert hätte – ich bin mir nicht sicher.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert