
„Rossini“ heißt ein berühmter Film von Helmut Dietl, über „die mörderische Frage, wer mit wem schlief“. Die Älteren werden sich erinnern. Im Krankenhaus lautet die wichtigste Frage: „Hatten Sie gestern…?“ Ich habe sie brav beantwortet. Fast zwei Wochen lang. Morgen für Morgen.
Aber ich war nicht wegen meiner Verdauung in der Park-Klinik. Mit vereinten Kräften haben meine Liebste und die Neurologin meines Vertrauens es geschafft, dass ich mich einer „Parkinson Komplex Behandlung“ unterzogen habe – bei SpezialistInnen in Weißensee, tief im Berliner Osten.
Westlichen TV-Zuschauern dürfte Weißensee als Ort und Namensgeber einer Serie über Menschen aus der Nomenklatura der DDR bekannt sein.Ich war dort vor Jahren in einem zauberhaften kleinen Freiluft-Theater, wo Helge Schneider auftrat. Für den genialen Komiker schwärmt meine Ex-Freundin Evi bis heute.
Aber zur Sache: Ich habe die Entscheidung für die Klinik nicht bereut. Es hat sich etwas getan mit meiner Krankheit. Meine wichtigsten wahrnehmbaren Symptome sind weniger geworden. Ich mache größere Schritte. Ich bewege mich schneller als zuvor.
Meine Variante dieses weiten Feldes heißt „vaskulär“. Sie betrifft weniger als zehn Prozent der Parkinson-Patienten. Wer medizinisch noch genaueres über das Syndrom wissen möchte, kann sich im Internet informieren.
Für diese Diagnose wurde mir unter anderem ein wenig Hirnwasser abgezapft. Viele Patienten bekommen nach dieser Behandlung mit dem Namen „Lumbalpunktion“ rasende Kopfschmerzen. Ich bin davon verschont geblieben. Zum Glück war es viel weniger schlimm als ich befürchtet hatte. Unangenehm war dagegen die Stimulation meiner Unterschenkel und Füße mit elektrischen Impulsen, um die Wahrnehmungsfähigkeit meiner Nerven zu testen.
Beruhigend an meinem Befund ist nicht zuletzt: Ich muss keinen so schnellen und umfassenden körperlichen und geistigen Verfall fürchten wie Patienten mit anderen Parkinson-Varianten. Der persönliche Vergleich mit anderen in der Klinik hat mir vorgeführt, wie viel schlechter es mir gehen könnte.
Damit mein Optimismus mich nicht trügt, muss ich allerdings etwas tun – und anderes leider lassen. Das beginnt bei der Einnahme meines wichtigsten Medikamentes: Dopamin. Es muss mindestens eine halbe Stunde vor oder frühestens eineinhalb Stunden nach den Mahlzeiten eingenommen werden. Der Zeitpunkt ist keineswegs trivial. Denn es gilt, in Anlehnung an den Titel eines Films, diesmal von Rainer Werner Fassbinder: Eiweiß essen Dopa auf!
Wichtig ist darüber hinaus: Bewegung. Zum Beispiel Laufen respektive Gehen. Täglich eine halbe Stunde. Mindestens. Ich werde auch dafür sorgen, dass mein Ergometer nicht wieder einstaubt. Das heißt: Abends vor dem Fernsehgerät wird – wenn es irgend geht – gestrampelt. Dass Tanzen Körper und Geist gut tut, ist immer wieder nachzulesen. Nun macht Tango mir also nicht nur Spaß. Er ist auch ärztlich empfohlen.
Weitgehend Abstand nehmen muss ich dagegen vom Alkohol. Tschüß Rotwein! Adieu Weißer! Bier mag ich nicht. Schnaps trinke ich seit Jahren nicht mehr. Ein Gläschen zu Geburts- und anderen Festtagen werde ich mir jedoch gestatten. Ansonsten gibt´s: Frischen Fruchtsaft, Wasser mit einem Spritzer Zitrone, etwas Minze oder anderen Kräutern. Meinen Kaffee am Morgen werde ich in Zukunft noch mehr genießen als bisher.
Ich bedanke mich bei allen, mit denen ich in der Park-Klinik zu tun hatte, für die freundliche und – so weit ich das als medizinischer Laie beurteilen kann – kompetente Behandlung. Auf keinen Fall vergessen will ich eine überaus wichtige nichtmedizinische Institution – das Café des Hauses. Hier habe ich täglich einen ausgezeichneten Americano genossen, ab und an etwas Süßes und nicht zuletzt täglich eine aktuelle Zeitung bekommen.

PS: Sicher wird an der Klinik nicht so bald ein Schild angebracht werden: Hier lebte von… bis… Ein Besuch in dem lauschigen Berliner Stadtteil lohnt sich dennoch – schon weil hier der größte noch genutzte jüdische Friedhof Berlins liegt mit den Gräbern zahlreicher Prominenter vom Maler Lesser Ury bis zum Verleger Rudolf Mosse. Wie durch ein Wunder hat er die Nazi-Zeit fast unbeschadet überstanden. Hier ist auch Margot Friedländer bestattet. Die KZ-Überlebende und unermüdliche Aufklärerin ist mit 103 Jahren vor kurzem gestorben.
Wer vom Gang über das riesige Friedhofs-Areal Hunger bekommen haben sollte, dem kann ich übrigens das beste asiatische Lokal empfehlen, in dem ich bisher in Berlin gegessen habe. Es heißt „ChiMi“ und bietet eine ebenso originelle wie stimmige Fusion der Küchen unterschiedlicher Länder.
Dies war der letzte Text über meine Krankheit. Der Vollständigkeit halber hier noch der Link zu meinem ersten:
Jetzt ist aber Schluss mit meinem Parkinson-Exhibitionismus.